COP28 – Zwischenfazit auf dem letzten Meter

Die COP28-Konferenz in Dubai geht langsam dem Ende entgehen, und es ist an der Zeit, ein erstes Fazit zu ziehen. Die Hauptaufgabe der Konferenz bestand darin, eine Bilanz zu ziehen, wo die Welt acht Jahre nach der Unterzeichnung des Pariser Abkommens steht – und wie die Länder die massiven Defizite zu beheben gedenken, die in der Umsetzung von Zielvorgaben entstanden sind. Gemessen an der CO2-Konzentration in der Atmosphäre sind alle bisherigen Klimakonferenzen gescheitert. Seit Beginn regelmäßiger Messungen im Jahr 1958 steigt die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre exponentiell an, und daran haben die bisherigen Konferenzen der letzten 20 Jahre wenig geändert. Man könnte allenfalls wohlwollend feststellen, dass die Wachstumsrate in den letzten 20 Jahren im Trend nicht mehr zugenommen hat.

Aber wo stehen wir nun auf der Konferenz mit den Verhandlungen über den Vertragsentwurf?

Einer der wichtigsten Texte, der noch fertiggestellt werden muss, ist der Global Stocktake, eine alle zwei Jahre stattfindende umfassende Bewertung der nationalen Klimaschutzbeiträge der Länder. Diese nationalen Emissionsminderungsstrategien werden alle fünf Jahre gemäß des Pariser Abkommen von 2015 zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C überprüft.

Der von der UNFCCC veröffentlichte Textentwurf enthält eine Reihe von Optionen zur Reduzierung der globalen Emissionen. Darunter befinden sich auch drei Optionen zur Formulierung eines Ausstiegs aus fossilen Brennstoffen sowie ein Textentwurf zur Rolle des Privatsektors und der Natur.

 

Fossile Energieträger

Die Hauptdiskussionsthemen für den Rest der Konferenz sind nun die Strategien des Ausstiegs oder des Auslaufens fossiler Brennstoffe. Kritisch anzumerken ist dabei, dass sehr allgemein von fossilen Energieträgern gesprochen wird und nicht explizit auf Kohle, Öl oder Gas eingegangen wird. Die aktuellen Positionen können dabei den folgenden Zitaten entnommen werden. So ist an einer Stelle von einem „geordneten und gerechten Ausstieg“ aus der Nutzung fossiler Brennstoffe die Rede, wobei es eine „Beschleunigung der Bemühungen um einen schrittweisen Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe“ geben soll, um eine rasche Verringerung ihrer Nutzung zu erreichen, bis dann etwa Mitte des Jahrhunderts eine Netto-Null-CO2-Bilanz der Energiesysteme erreicht werde.

Richtig ambitioniert klingt das nicht, wobei in den Verhandlungen momentan zwei Säulen einer Ausstiegsstrategie für die fossile Industrie im Mittelpunkt stehen. Dabei geht es um die technischen Verfahren des Direct Air Capture (DAC) und der Carbon Capture and Storage (CCS), mit deren Hilfe Netto-Null-CO2-Emissionen erreicht werden können. Es wird dabei diskutiert, wie diese Verfahren eingesetzt werden sollten, um das ausgerufene Ziel zu erreichen.

 

Direct Air Capture

Technologien zur direkten Abscheidung von CO2 aus der Luft (Direct Air Capture, DAC) entfernen CO2 direkt aus der Atmosphäre zur Speicherung oder Nutzung. Bisher sind weltweit 27 DAC-Anlagen in Betrieb, die jedes Jahr knapp 0,01 Mio. t CO2 abscheiden. Im Jahr 2022 wurden insgesamt 37 Mrd. t CO2 emittiert, wovon die durch DAC abgeschiedenen Emissionen lediglich 0,000027% der gegenwärtigen Emissionen ausmachen.

Ein Nachteil dieser Technologie besteht in ihrem enormen Energiebedarf. Im Jahr 2020 betrug die mittlere Schätzung des Energieverbrauchs für Technologien mit festen Sorbentien etwa 8 GJ/t CO2, was etwa 2200 kWh/t CO2 entspricht. Um das etwas konkreter mit einem Beispiel zu verdeutlichen: Es wird der Strom von 2200 für eine Stunde unter Volllast laufenden Staubsaugern benötigt, um mit diesem Verfahren eine Tonne CO2 aus der Luft zu entfernen und zu speichern. Wenn Deutschland allein durch diese Technologie seine pro Jahr zu verantwortenden rund 660 Millionen Tonnen CO2-Emissionen aus der Luft reduzieren wollte, würde dies etwa 1452 Terawattstunden erfordern, was mehr als dem Dreifachen des jährlichen Stromverbrauchs Deutschlands entspricht. Woher diese zusätzlichen Strommengen für die CO2-Abscheidung zusätzlich zu dem noch nicht verfügbaren Strom für zukünftige Wärmepumpen, Elektroautos und E-Fuels kommen sollen, wurde auch in Doha nicht schlüssig erläutert. Das „Global Commitment on Renewable Energy and Energy Efficiency“, das von 123 Ländern unterstützt wird und darauf abzielt, die weltweite Kapazität an erneuerbaren Energien bis 2030 zu verdreifachen und die Energieeffizienz zu verdoppeln, wird in diesem Kontext nicht ausreichen.

 

Carbon Capture and Storage

Nicht nur die OPEC, sondern auch alle anderen großen Ölnationen befürworten Carbon Capture and Storage (CCS) sowie die Verwendung des CO2 zur Verbesserung der Ölgewinnung (Enhanced Oil Recovery (EOR) ) und zur Reduzierung von Gasabfackelungen. Diese Technologie ist momentan im globalen Maßstab ebenfalls zu vernachlässigen. Derzeit sind weltweit rund 40 kommerzielle Anlagen für die Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoffdioxid in Betrieb. Sie haben eine Gesamtabscheidungskapazität von mehr als 45 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr und könnten theoretisch 0,1216% der globalen Emissionen abfangen. Allerdings werden diese großen Anlagen fast ausschließlich für die EOR eingesetzt und binden kein zusätzliches CO2 aus der Atmosphäre. Die sog. „Verbesserte Ölgewinnung“ (EOR) ist ein Verfahren zur Erdölförderung, das nur dann angewendet wird, wenn herkömmliche primäre oder sekundäre Techniken nicht mehr erfolgreich sind. Die kohlendioxidunterstützte Erdölförderung (CO2-EOR) ist eine Methode, um Öl aus reifen und unproduktiven Feldern zu gewinnen, die mit konventionellen Techniken nicht mehr rentabel sind. Außerdem werden Kohlenstoffabscheidung und -speicherung sowie die Reduzierung von Gasabfackelungen als Maßnahmen zur Minderung von Treibhausgasemissionen eingesetzt. EOR kann die Lebensdauer eines bestehenden Ölfeldes um mehrere Jahre bis Jahrzehnte verlängern und die Förderung von Millionen Barrel Öl zusätzlich ermöglichen. Eine Öl- oder Gasplattform benötigt hierfür jedoch beträchtliche Energiemengen. Die Energie wird gewöhnlich mit gewaltigen Turbinen aus dem gewonnenen Gas erzeugt, wobei die Abgase, also CO2, in die Lagerstätte zurückgepresst werden. Auf diese Weise bleibt der Förderdruck aufrechterhalten und die Strömungseigenschaften des Öls verbessern sich.

 

Kohleausstieg

Hinsichtlich des Kohleausstiegs wird ein schneller Ausstieg aus der ungebremsten Kohleverstromung in diesem Jahrzehnt sowie ein sofortiger Stopp der Genehmigung neuer Kohlekraftwerke gefordert. Die nationalen Beiträge zum Klimawandel hängen dabei eng mit den vergangenen kumulierten CO2-Emissionen zusammen. Dies liegt daran, dass ein erheblicher Teil des emittierten CO2 über Jahrhunderte hinweg in der Erdatmosphäre verbleibt. Aus diesem Grund besteht ein großes Interesse daran, die nationalen Beiträge zum Klimawandel zu bestimmen und fair zu verteilen. Auf diese Weise können verbindliche Zusagen zur Dekarbonisierung bzw. Minderungspfade formuliert und der länderspezifische Anteil am verbleibenden Kohlenstoffbudget ermittelt werden. In diesem Kontext stehen zwei Alternativen zur Übernahme der Verantwortung für historische Emissionen in der Diskussion. Eine davon besagt, dass „gerechte“ Reduktionsmaßnahmen von der historischen Verantwortung geleitet werden, während die andere die Bemühungen um globale Klimaziele als „zukunftsorientierten Prozess“ beschreibt.

 

Methan

Methan hat im Vergleich zu Kohlendioxid, welches hunderte bis tausende Jahre in der Atmosphäre verbleiben kann, eine vergleichsweise kurze Lebensdauer von etwa 12 Jahren. Trotzdem ist Methan (CH4) ein extrem starkes Treibhausgas mit einem globalen Erwärmungspotenzial, welches 24- bis 28-mal höher ist als das von Kohlendioxid (CO2). Der Anteil von Methan am anthropogenen Treibhauseffekt beläuft sich auf ungefähr 17%. Es wurde zum ersten Mal explizit in die Verhandlungen aufgenommen. „Die Vertragsparteien haben in Betracht gezogen, weitere Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen anderer Treibhausgase als Kohlendioxid bis 2030 zu ergreifen. Diese umfassen eine weltweite Senkung der Methanemissionen um mindestens 30 Prozent bis 2030 und um 40 Prozent bis 2035.“

 

Ökosysteme

Seit Beginn der Klimakonferenzen gelten naturbasierte Lösungen als vielversprechend. Allerdings besteht bis heute kein verlässliches Rahmenwerk zur Vermeidung von Doppelzählungen, welches für die Kompensation von Kohlenstoff unerlässlich wäre. Diese Tatsache wird sich auch auf der diesjährigen COP nicht ändern. Um Doppelzählungen zu vermeiden, strebte man in Paris die Einrichtung eines international überwachten Mechanismus zur Emissionsreduzierung in einem Land mit anschließender Übertragung der Ergebnisse auf ein anderes Land an. Kriterien für ein qualitativ hochwertiges Klimaschutzprojekt wären dabei neben der Vermeidung übertriebener Wirkungseinschätzungen vor allem die Zusätzlichkeit der Maßnahme sowie die Dauerhaftigkeit der Speicherung. Die gegenwärtige Literaturlage verdeutlicht, dass die meisten Kompensationsprojekte in Bezug auf ihre Wirkungsweise, Zusätzlichkeit und insbesondere Dauerhaftigkeit gravierende Mängel aufweisen.

In dem Entwurf wird die Bedeutung von Ökosystemen als Kohlenstoffsenken und -speicher hervorgehoben: „Es ist von großer Bedeutung, die Natur und Ökosysteme zu schützen, zu erhalten und wiederherzustellen. Dies umfasst den Stopp und die Umkehrung der Entwaldung bis 2030 sowie den Schutz von terrestrischen und marinen Ökosystemen, die als Senken und Speicher von Treibhausgasen fungieren, sowie den Schutz der biologischen Vielfalt.“

 

Finanzierung

Die derzeitige Bereitstellung von Finanzierungen für Klimamaßnahmen, Technologieentwicklung, Technologietransfer und Anpassungskapazitäten erscheint unzureichend, um angemessen auf die sich verschärfenden Auswirkungen des Klimawandels zu reagieren. Es ist festzustellen, dass der voraussichtliche Bedarf für Anpassungsmaßnahmen etwa 10–18-mal höher ist als die internationalen öffentlichen Finanzierungsströme zur Unterstützung. Seit der offiziellen Eröffnung des Fonds für Schäden und Verluste wurden bisher insgesamt 726 Millionen US-Dollar (674 Millionen Euro) an Zusagen aus einer Vielzahl von Ländern wie Deutschland, Italien, Frankreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten eingegangen. Es ist bekannt, dass die zugesagten Gelder auf den COPs oft lange brauchen, um diejenigen zu erreichen, die sie am dringendsten benötigen. Eine erfolgreiche COP28 würde dazu beitragen, dass reiche Länder ihre Anstrengungen verstärken und die im Jahr 2009 vereinbarten 100 Milliarden Dollar für Klimafinanzierung bereitstellen, um Verluste und Schäden zu minimieren. Die Vertragsparteien müssen Finanzströme reduzieren, die mit dem Klimaschutz sowie der Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens unvereinbar sind. Der Fluss von Finanzen in emissionsintensive, schlecht angepasste oder nicht klimaresistente Aktivitäten kann durch Maßnahmen wie die schrittweise Abschaffung von Subventionen für fossile Brennstoffe, die Bepreisung von Kohlenstoff und die Einführung von Vorschriften reduziert werden. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die Voraussetzungen für die Lenkung des Privat- und Finanzsektors zu schaffen, sowie Transparenz und Rechenschaftspflicht des Privatsektors zu verbessern, indem irreführende Umweltbotschaften auf den Märkten beseitigt und Greenwashing bekämpft werden.

Bloomberg berichtet, dass Saudi-Arabien einen COP28-Text ablehnt, der den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen fordert. Auch die OPEC-Länder tun sich offensichtlich schwer mit Beschlüssen gegen die fossile Energien.[2] „Diejenigen Länder, die wirklich an einen Ausstieg aus den Kohlenwasserstoffen glauben, sollten einen Plan vorlegen, wie dies geschehen soll“, sagte Prinz Abdulaziz bin Salman, der Energieminister des Königreichs Saudi-Arabiens. Es sind harte Worte, aber in gewisser Weise trifft er damit den Kern der Sache.

Und im Hinblick auf Europa warnt der Präsident der Afrikanischen Entwicklungsbank, Dr. Akinwumi Adesina, davor, dass eine neue EU-Kohlenstoffgrenzsteuer den Handel und die Industrialisierung Afrikas erheblich einschränken könnte. Exporte von Gütern mit hoher Wertschöpfungstiefe wie Stahl, Zement, Eisen, Aluminium und Düngemittel würden benachteiligt. Diese Beschränkungen könnten weitreichende Auswirkungen haben.

 

Emissionshandel als Lösung?

Wie man es auch dreht und wendet – die Bemühungen mögen gewaltig sein, aber der Teufel steckt im Detail. Große Früchte haben die vielen Konferenzen der letzten Jahre nicht gebracht, wie die nach wie vor hohen Wachstumsraten in der CO2-Konzentration der Atmosphäre aufzeigen. Seit Beginn der regelmäßigen und hochpräzisen Aufzeichnungen des CO2-Gehaltes in der Atmosphäre im Jahr 1958 ist der Wert der CO2-Konzentration kumuliert um ziemlich exakt 33% gestiegen; ein Trend, der nicht mehr lange andauern darf, wenn das Ziel einer maximalen Erwärmung von zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter nicht deutlich verfehlt werden soll. Einen Grund zur Verzweiflung gibt es allerdings nicht; Europa zeigt inzwischen auf, wie es gelingen könnte, Emissionen von Jahr zu Jahr reduzieren. Dass dies gelingt, dürfte zu einem großen Teil mit dem EU-Emissionshandel zusammenhängen. Vor allem in den letzten Jahren war auffällig, dass vor allem die Sektoren, die dem Emissionshandel unterliegen, erfolgreich Emissionen reduzieren konnten. China hat nicht ohne Grund den europäischen Ansatz des Emissionshandels kopiert und ist gerade dabei, ein vergleichbares System zu implementieren. In anderen Regionen der Welt ist leider noch nicht erkennbar, dass sich dieser Ansatz durchsetzt. In letzter Konsequenz würde ein gut konstruierter globaler Emissionshandel Klimakonferenzen so gut wie überflüssig machen und gleichzeitig die politisch gesetzten Reduktionsziele nahezu garantiert erbringen. Und das zu Vermeidungskosten, von denen Politiker weltweit bisher nur träumen konnten. Es ist fast ein wenig schade, dass europäische Politiker so schlechte Botschafter eines Systems sind, dass global wirklich einen Unterschied machen könnte.

 

 

Laden Sie den gesamten Artikel als pdf runter.

Weitere interessante Beiträge

10/03/2025
Wohin will der EUA Preis?

Preisprognosen für EU-Emissionszertifikate (EUA) variieren naturgemäß je nach Studie und zugrunde...

Jetzt lesen
06/08/2024
Wie geht es weiter mit dem Preis für EU-Emissionsrechte?

Was beeinflusst die Preisentwicklung von EU-Emissionszertifikaten? Ein, wenn nicht sogar der...

Jetzt lesen
30/04/2024
CO2-Reduktion in Portfolios

Asset-Manager geben Climate-Pledges ab Viele Asset Manager haben sich in den letzten Jahren dazu...

Jetzt lesen