Klimarisiken im Portfolio – wie geht man damit um?

Nicht erst seit der Bundestagswahl ist der Klimawandel ein dominierendes Thema. Während aber viele andere relevante Themen mit der Zeit an Bedeutung verlieren, dürfte der Klimawandel in den kommenden Jahrzehnten dauerhaft auf der Agenda bleiben.

So überrascht es nicht, dass auch aus Sicht des Portfoliomanagements klimarelevante Themen immer mehr in den Mittelpunkt rücken und zu einer zentralen Fragestellung der Portfoliokonstruktion werden. Dabei dreht sich die gesamte Diskussion letztlich um die Frage, inwieweit und in welcher Weise für Asset Manager die Möglichkeit besteht, auf den Klimawandel zu reagieren. Denn vom Klimawandel gehen verschiedene Wirkungen auf Portfolios aus.

Zum einen dürfte es Aktien oder sogar ganze Branchen geben, die direkt unter steigenden CO2-Preisen leiden werden. Das betrifft vor allem die Regionen, in denen ein CO2- Emissionshandel die Emissionen begrenzt. Dazu gehört vor allem Europa, aber auch beispielsweise China. Zum anderen existieren Aktien und Branchen, die indirekt unter Klimaeffekten leiden könnten – dazu gehören beispielsweise Versicherungen, deren Schadensfälle durch Extremwetterereignisse zunehmen. Schließlich können auf der anderen Seite aber auch einzelne Aktien oder sogar ganze Branchen von dem Klimawandel und damit einhergehenden staatlichen Eingriffen, einer staatlichen Subventionierung sowie einer geänderten Nachfrage profitieren.

Auf den ersten Blick erscheint es einfach, klimarelevanten Risiken auszuweichen und sich daraus ergebende Chancen zu nutzen, indem man als Portfoliomanager den CO2-Fußabdruck seines Portfolios deutlich senkt. Das ist allerdings keine perfekte Lösung – schließlich weisen beispielsweise Versicherungen einen vergleichsweise kleinen CO2-Fußabdruck auf und bergen trotzdem ein größeres mittelfristiges „Klimarisiko“ in sich.

Im Prinzip müsste jede Aktie eines Investmentuniversums mit einem Klimarisikoscore versehen werden, der sich aus einer CO2-Preis-Sensitivität und anderen weniger gut quantifizierbaren Größen zusammensetzt. Mit Hilfe dieser Information ließe sich ein Portfolio konstruieren, das gegenüber der Benchmark deutlich weniger Klimarisiken aufweist. Wer allerdings denkt, dass damit schon die Lösung gefunden wurde, täuscht sich vermutlich gewaltig. Denn ein derart optimiertes Portfolio würde andere, neue „Risiken“ in Form einer deutlich von der Benchmark abweichenden Sektorallokation oder aber in Form einer massiv von der Benchmark abweichenden Faktorskyline mit sich bringen. Kontrolliert man diese Parameter, sinkt wiederum die Attraktivität hinsichtlich der Klimarisiken.

Ein wenig mehr Spielraum erhielte man, wenn man Leerverkäufe zulassen würde; könnte man Aktien mit hohen Klimarisiken leerverkaufen und gleichzeitig das Bruttoexposure auf über 100% anheben, ließen sich vermutlich Portfolios konstruieren, in denen der Zielkonflikt zwischen „Klimaattraktivität“ und anderen Zielsetzungen zu einem erheblichen Teil aufgelöst werden könnte. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass diese Möglichkeit der Portfoliokonstruktion für die allermeisten Investoren nicht darstellbar ist und eher nur eine mögliche theoretische Vorgehensweise darstellt.

Für die Praxis ergibt sich aber eine weitere interessante Möglichkeit, zumindest einen Teil der Klimarisiken eines Portfolios abzusichern. Geht man davon aus, dass ein gewisser Teil der tatsächlichen Risiken mit der Entwicklung des CO2-Preises zusammenhängt, erscheint hier ein direkter Hedge über den Kauf von EU-Emissionsrechten möglich. Zwar können EU-Emissionsrechte nicht direkt in ein Depot gebucht werden, es existieren jedoch inzwischen Vehikel, die den Preis von EU-Emissionsrechten gut abbilden und einem Portfolio beigemischt werden können.

Aber auch hier stellt sich wieder eine Frage, die nur bedingt beantwortet werden kann. Dabei geht es darum, wie stark EU-Emissionsrechte beigemischt werden müssen, um einen angemessenen Hedge zu erzielen. Zumindest ökonometrisch lässt sich diese Frage auf Basis vergangener Daten nur unzulänglich beantworten. Berechnet man beispielsweise die Korrelation zwischen den Wochenrenditen der Preise von EU-Emissionsrechten und den Wochenrenditen des DAX über wöchentlich rollierende Einjahreszeiträume, konnten seit Ende 2010 in 441 von 521 rollierenden Jahreszeiträumen positive Korrelationskoeffizienten beobachtet werden.

Ökonomisch ist das auf den ersten Blick unplausibel, da steigende CO2-Kosten für sich genommen negativ auf Aktienkurse wirken müssten. Auf der anderen Seite haben aber CO2- Preise und Aktienkurse auch mehrere gemeinsame Treiber. Dazu gehört der Konjunkturzyklus, aber auch die allgemeine Risikofreude von Investoren. Es ist daher wenig zielführend, einen vermeintlich perfekten Hedge auf Basis von einfachen Regressionsanalysen bestimmen zu können. Vermutlich ist man sogar besser beraten, auf Basis von Plausibilitätsüberlegungen einen geeigneten Investitionsgrad für EU-Emissionsrechte als Hedge zu bestimmen.

Wenn man nun EU-Emissionsrechte im Portfolio hält, könnte man auf die Idee kommen, dass man allein schon damit der Umwelt etwas Gutes tut. Die Argumentation könnte wie folgt lauten: Dadurch, dass man Emissionsrechte kauft, steigt deren Preis, so dass die Rechte knapper werden und damit weniger emittiert wird. Und weil man zudem selbst Rechte hält, können diese für die Legitimation von Emissionen nicht mehr genutzt werden. Man hätte also zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Leider ist diese Argumentation so nicht korrekt.

Zum einen werden Emissionsrechte kaum weniger genutzt, wenn sie teurer werden. Denn der EU-Emissionshandel setzt konzeptionell am Mengeneffekt und nicht am Preiseffekt an. Die Politik legt fest, wie viele Emissionsrechte zur Legitimation von Emissionen zur Verfügung stehen, und der Preis bestimmt am Ende darüber, wer diese Rechte hält und nutzt.

Wenn nun der Preis steigt, werden einige Firmen, die diese Rechte halten, vermutlich geneigt sein, diese Rechte zu verkaufen. Es wird sich aber immer wieder ein Käufer finden, für den es sich weiter lohnt, auch zu einem höheren Preis Emissionen damit zu legitimieren – schließlich handelt es sich per Definition um einen markträumenden Preis; für jeden Verkäufer gibt es einen Käufer.

Es ist dabei unvorstellbar, dass teure Rechte dauerhaft nur gehalten und nicht genutzt und auch nie verkauft werden – das wäre ökonomisch vollkommen widersinnig. Am Ende wird jedes gültige Recht in den Händen einer ökonomisch handelnden Firma auch für die Legitimation von Emissionen genutzt werden. Festzuhalten bleibt also, dass eine Veränderung des CO2-Preises kaum einen Einfluss auf den Reduktionspfad von CO2-Emissionen hat.

Zum anderen hilft es der Umwelt auch nicht, wenn Rechte temporär dem Markt entzogen werden, indem sie für einige Jahre in einem Depot gehalten werden. Denn beim Klimaschutz geht es um Emissionen, die sich über viele Jahrzehnte erstrecken. Dem Klima ist es vergleichsweise egal, ob Emissionen jetzt oder aber in sieben oder zehn Jahren entstehen.

Entscheidend ist alleine die Gesamtemissionsmenge; deren zeitliche Verteilung ist weitgehend sekundär. Das lässt sich schon an den vielen möglichen und teilweise sehr unterschiedlichen Reduktionspfaden erkennen, die vom Weltklimarat beschrieben werden und alle mit einem 1,5-Grad-Ziel kompatibel wären.

Wie man es auch dreht und wendet: Das Management von Klimarisiken ist kein einfaches Unterfangen. Man sollte nicht glauben, dass hier einfache Antworten und Lösungen existieren. Die Thematik ist komplex und herausfordernd. Trotzdem gibt es keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Die klimaspezifischen Herausforderungen werden uns Jahrzehnte begleiten. Dieser Weg mag steinig sein, aber gleichzeitig ist die damit einhergehende Lernkurve nicht zu unterschätzen. So spricht sehr viel dafür, dass auch diese Herausforderung gemeistert werden wird – so wie viele andere Herausforderungen der letzten Jahrzehnte.

Von Dr. Christian Jasperneite

Quelle: Fundsresearch, veröffentlicht 10/2021

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