Was beeinflusst die Preisentwicklung von EU-Emissionszertifikaten?
Ein, wenn nicht sogar der wichtigste Treiber der Preisentwicklung für EU-Emissionszertifikate (EUAs) ist die Strommarkt in der EU. Der Zusammenhang zwischen Strommarkt und EUA-Preisen ist vielschichtig und dynamisch. Eine höhere Stromnachfrage führt tendenziell zu steigenden EUA-Preisen, da mehr fossile Brennstoffe genutzt werden und somit mehr Emissionsrechte benötigt werden. Gleichzeitig beeinflussen aber auch Faktoren wie Brennstoffpreise, technologische Entwicklungen und regulatorische Maßnahmen diese Beziehung. In dieser Publikation analysieren wir die unterschiedlichen Einflussfaktoren und wagen einen Ausblick für den EUA-Preis.
Einfluss der Stromnachfrage auf den EUA-Preis
Bei der Analyse des Einflusses der Stromnachfrage auf den EUA-Preis muss zwischen direktem und indirektem Einfluss sowie langfristigen Trends unterschieden werden. Direkten Einfluss hat folglich die Nachfrage als solche: Bei steigender Stromnachfrage, insbesondere in Spitzenzeiten, müssen Kraftwerke mehr Strom produzieren. In vielen Fällen bedeutet dies, dass fossile Brennstoffe wie Kohle und Gas verwendet werden, die höhere CO2-Emissionen verursachen. Dies erhöht die Nachfrage nach Emissionsrechten, was wiederum die EUA-Preise nach oben treibt. Sinkt die Stromnachfrage, beispielsweise durch energieeffizientere Technologien oder wirtschaftliche Abschwünge, wird weniger Strom produziert und somit weniger Emissionen verursacht. Dies führt zu einem geringeren Bedarf an Emissionsrechten und kann die EUA-Preise senken. Indirekt beeinflussen die Brennstoffpreise diesen Prozess. Wenn Gas billig ist, könnten Energieproduzenten von Kohle zu Gas wechseln, was weniger CO2-Emissionen und somit eine geringere Nachfrage nach EUA bedeutet. Dies kann die Preise für EUA senken. Auch können Änderungen in der Energiepolitik, wie z.B. die Einführung von erneuerbaren Energien oder strengere Emissionsgrenzen, die Nachfrage nach Strom aus fossilen Brennstoffen beeinflussen und somit indirekt auch die EUA-Preise. Eine verstärkte Förderung von erneuerbaren Energien kann zu einer geringeren Nachfrage nach Emissionsrechten führen und die EUA-Preise senken. Langfristige Bemühungen zur Dekarbonisierung der Stromerzeugung durch den Ausbau erneuerbarer Energien und technologische Innovationen tragen zu einer Verringerung der CO2-Emissionen bei. Dies verringert die Abhängigkeit von Emissionsrechten und stabilisiert oder senkt langfristig die EUA-Preise. Strengere Klimaziele und eine Reduktion der verfügbaren Emissionsrechte im EU ETS erhöhen den Druck auf Unternehmen, ihre Emissionen zu reduzieren, was die EUA-Preise steigen lassen kann.
Niedrigere Stromnachfrage in EU
Die folgende Abbildung verdeutlicht, dass die Stromnachfrage in der EU im Vergleich zu den letzten acht Jahren weiterhin recht niedrig ist. Was sind die Gründe für diesen Nachfrageeinbruch? Zum einen befindet sich die europäische Wirtschaft, insbesondere der Industriesektor, in einer leichten Rezession, was die Nachfrage nach Strom weiterhin dämpft. Zum andern spielt aber auch die zunehmende Verbreitung der dezentralen Solarstromerzeugung eine Rolle. Haushalte und Unternehmen erzeugen vermehrt ihren eigenen Strom durch Solaranlagen, was die Abhängigkeit vom zentralen Stromnetz verringert. In Deutschland sind bereits rund 14 GWh an Batteriespeicherkapazität installiert, was die Nutzung von Solarstrom weiter unterstützt und die Netzunabhängigkeit erhöht.
Stromproduktion vermehrt aus nicht CO2-emittierenden Quellen
In der weiteren Analyse der Daten zeigt sich, dass der Anteil der nicht CO2-emittierenden Quellen in 2024 deutlich über dem Anteil der Vorjahre liegt. Dies wird auch aus nachfolgender Abbildung ersichtlich. So stammt im Mai 2024 bereits 75% des Stroms aus vorwiegend erneuerbaren Energiequellen. Im ersten Quartal 2024 erreichte der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Deutschland einen Rekordwert von 58,4 Prozent. Dies ist der höchste Anteil in einem ersten Quartal. Die wichtigsten erneuerbaren Energiequellen waren die Windenergie mit einem Anteil von 38 Prozent und die Photovoltaik mit einem Anteil von 6,6 Prozent. Die günstigen Witterungsbedingungen zu Beginn des Jahres mit milden Wintertemperaturen, günstigen Windverhältnissen und geringer Bewölkung trugen wesentlich zu diesem Anstieg bei. Diese Bedingungen führten zu einem Anstieg der Stromerzeugung aus Windkraft und Photovoltaik. Gleichzeitig ging die Stromerzeugung aus konventionellen Energieträgern wie Kohle und Gas zurück. Die Stromerzeugung aus Kohle ging um 28,2 Prozent zurück, die aus Erdgas um 1,9 Prozent. Dieser Trend ist auch in anderen europäischen deutlich zu beobachten. Insbesondere in Ländern mit stark ausgebauter Wind- und Solarinfrastruktur wie Dänemark, Spanien und den Niederlanden stieg der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung deutlich an. Insgesamt haben diese Entwicklungen dazu beigetragen, dass Europa in den ersten vier Monaten dieses Jahres die niedrigsten CO2-Emissionen in diesem Sektor verzeichnet. Das Jahr 2024 ist auf dem besten Weg, das Jahr mit den niedrigsten CO2-Emissionen aus der Stromerzeugung zu werden.
Gas-Preis als Gamechanger? Unsicherheit LNG
Die geringere Stromnachfrage und der Anstieg des Anteils nicht CO2-emittierenden Quellen am Strommix sollten weiterhin preisdämpfend auf den EUA-Preis wirken. Gamechanger in diesem Szenario könnte der Gaspreis sein. Es gibt nämlich einige Argumente, die für in der nächsten Zeit steigenden Gaspreise sprechen. Tendenziell gibt es eine hohe Korrelation zwischen Gas- und EUA-Preis, d.h. dass die Preise für Gas und EAU tendenziell gemeinsam steigen oder fallen. Aktuell wirkt sich das LNG (Über)Angebot dämpfend auf den Gaspreis aus. Durch die Auswirkungen von El Niño auf den Wasserstand im Panamakanal, ist die Anzahl der Schleusungen in diesem Jahr auf einem Rekordtief. Da der Transport von LNG nach Asien durch den Panamakanal erschwert ist, weichen viele LNG-Tanker auf Routen nach Europa aus. Damit wird Europa zu einem bevorzugten Ziel für LNG-Lieferungen. Sobald sich dieses Phänomen abschwächt und man kann in den folgenden Abbildungen bereits erkennen, dass der Tiefpunkt der Schleusungen bzw. der Hochpunkt LNG Gasimporte erreicht wurde, sollte der Gaspreis wieder steigen. Zusätzlich könnten die Hurrikansaison das LNG-Angebot verknappen. Die saisonalen Vorhersagen der Colorado State University (CSU) für die Hurrikansaison 2024 im nordatlantischen Becken deuten auf eine extrem aktive Saison hin. Die Auswirkungen von Hurrikanen auf den LNG-Export sind erheblich. So führte der Hurrikan Laura im Jahr 2020 zur vorübergehenden Schließung von LNG-Exportanlagen an der US-Golfküste, was die Gaslieferungen beeinträchtigte. Ebenso verursachte der Hurrikan Ida im Jahr 2021 erhebliche Störungen der Energieinfrastruktur, einschließlich der LNG-Exporte, was zu einem Anstieg der Gaspreise führte. Kurzfristige Unterbrechungen der LNG-Exporte aus dem Golf von Mexiko durch Hurrikane könnten daher die Gaspreise in die Höhe treiben und, wenn die Korrelation mit den EUA-Preisen anhält, zu höheren EUA-Preisen führen. Der Höhepunkt der Hurrikansaison liegt zwischen Mitte August und Ende Oktober. Dieser Zeitraum ist besonders kritisch, da die Energieinfrastruktur entlang der Golfküste anfällig für Störungen ist, die zu erheblichen Preisschwankungen auf dem Gasmarkt führen können.
Angebotsseite wirkt preisdämpfend
Die jüngsten Zahlen zur kostenlosen Zuteilung und Versteigerung von EU-Emissionsberechtigungen zeigen, dass das Gesamtangebot an EUAs im Jahr 2024 um mindestens 6 % höher sein wird als im Vorjahr, ohne den vollen Umfang der Marktstabilitätsreserve zu berücksichtigen. Dies auf drei Hauptfaktoren zurückzuführen:
- Vorverlegung des Zertifikatsangebots: Zertifikate, die ursprünglich für spätere Jahre vorgesehen waren, werden vorzeitig auf den Markt gebracht.
- Die Einführung neuer Erfüllungseinheiten, die kostenlose Zertifikate erhalten, trägt ebenfalls zur Erhöhung des Angebots bei. Insbesondere sollen künftig effiziente Unternehmen von einer kostenlosen Zuteilung profitieren, während ineffiziente Anlagen Kürzungen befürchten müssen, wenn sie keine Effizienzmaßnahmen durchführen.
- Zusätzlicher Schiffsverkehr: Der Schiffsverkehr, der nun auch in den EU-Emissionshandel einbezogen wird, erhöht die Zahl der verfügbaren, aber auch der nachgefragten Zertifikate.
Bis 12. Juni 2024 wurden rund 254 Millionen EUAs über die European Energy Exchange versteigert. Diese Zahl umfasst 42,6 Mio. Zertifikate, die für Fonds und das REPowerEU-Programm versteigert wurden. Ziel des REPowerEU-Programms ist es, die Abhängigkeit der EU von russischen fossilen Brennstoffen zu beenden. Dies soll durch die Diversifizierung der Energiequellen, Energieeinsparungen und die beschleunigte Einführung erneuerbarer Energien erreicht werden. Ein Teil des REPowerEU-Plans wird von der Economic Recovery and Resilience Facility (ERRF) durch den Verkauf von ETS-Zertifikaten finanziert. Die Europäische Kommission plant, durch den Verkauf dieser Zertifikate 20 Milliarden Euro einzunehmen. Etwa 40% dieser Mittel sollen durch das Vorziehen der Versteigerung von Zertifikaten aufgebracht werden, die ursprünglich zwischen 2027 und 2030 versteigert werden sollten. Diese Zertifikate werden nun auf den Zeitraum vor dem 31. August 2026 vorgezogen. Zusammengefasst wird es im Jahr 2024 auf der Angebotsseite des Primärmarkts mehr Zertifikate geben, was sich preisdämpfend auf den Markt auswirken könnte.
EU-Emissionszertifikate werden erschwinglich bleiben
Die Chancen stehen gut, dass die EUA-Preise bis in den Herbst hinein erschwinglich bleiben. Aktuell liegt dieser bei rund 70€ für eine Tonne CO2. Die Stromnachfrage sollte weiterhin einen preisdämpfenden Effekt haben, die europäischen Industrieunternehmen stecken weiterhin in der Rezession und das Angebot hat sich erhöht. Der schwarze Schwan dieser Prognose könnte ein durch eine heftige Hurrikansaison ausgelöster starker Anstieg beim Gaspreis sein, der auch noch durch eine sich schneller als zu erwartende konjunkturelle Erholung der Industrie befeuert wird. Zusätzlich wurde durch das novellierte Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz der Stichtag für die Abgabe von Emissionsberechtigungen vom 30. April auf den 30. September verschoben. Vor diesem Termin war in der Vergangenheit ein Anstieg der Preise für Emissionsberechtigungen zu beobachten, da die Anlagenbetreiber die benötigten Berechtigungen erwerben und auf das Löschkonto übertragen mussten Wenn all diese Ereignisse im September zusammentreffen, könnte der EUA-Preis auch noch einen deutlichen Satz nach oben machen, wahrscheinlicher ist aber eine Seitwärtsbewegung.
Dekarbonisierung durch Stilllegung von EUAs weiterhin attraktive Lösung
CAP2 bietet die Dekarbonisierung ihrer unvermeidbaren Emissionen durch die Stilllegung von EUAs an. Gleichzeitig bietet CAP2 auch unabhängige Research zur erwartenden Preisentwicklung von EUA an.
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