CO2-Reduktionspfade leicht modifiziert und marginal weniger ambitioniert
Der Weltklimarat hat in dem ganz aktuell veröffentlich-ten sog. Synthesebericht erneut vor den drastischen Auswirkungen des Klimawandels gewarnt und darauf verwiesen, dass mit einer vergleichsweise hohen Wahrscheinlichkeit die 1,5-Grad-Grenze schon im kommenden Jahrzehnt überschritten werden könnte. Zudem wird berichtet, dass der Klimawandel zuletzt etwas schneller vorangeschritten sei, als das in den meisten Projektionen zuvor vermutet worden war.
In der Berichterstattung über die jüngste Veröffentlichung des Weltklimarates ist allerdings ein wenig untergegangen, dass es darin auch Neuberechnungen zu den möglichen CO2-Reduktionspfaden gab, die jeweils langfristig zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels führen. Diese Pfade haben nicht nur eine akademische Bedeutung – ganz im Gegenteil. Aus diesen Pfaden lässt sich ableiten, wie groß das Restbudget an CO2-Äquivalenten ist, das gerade noch mit einer Erwärmung von 1,5 Grad gegenüber der globalen Referenztemperatur (Durchschnitt der Jahre 1850 bis 1900) kompatibel wäre. Aus diesem Restbudget leitet sich für die Politik der klimapolitische Handlungspfad für die nächsten Jahrzehnte ab. Nun gehört zur Wahrheit, dass es nicht den einen „richten“ Reduktionspfad gibt, der eine allgemeine Gültigkeit besitzt. Tatsächlich liegen dem Weltklimarat über 200 Pfade und damit verbundene Modelle vor, die jeweils einen Weg zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels aufzeigen. Jeder dieser Pfade hat einen leicht anderen Verlauf und geht auch von etwas unter-schiedlichen CO2-Restbudgets aus.
Die über 200 Pfade (im letzten IPCC-Bericht konnte man sich nur auf 77 Pfade und Modelle stützen) lassen sich grob in zwei Gruppen aufteilen. Die erste Gruppe besteht aus Pfaden, die zunächst zu einem leichten „Überschießen“ führen. Das heißt, Emissionen werden zunächst nicht ambitioniert genug reduziert, wodurch weltweit zu viel emittiert wird. Durch negative Netto-Emissionen im letzten Drittel des Jahrhunderts könnte aber bis zum Jahr 2100 dennoch das 1,5-Grad-Ziel erreicht werden. Die andere Gruppe der Modelle zeigt für die nächsten Jahrzehnte zunächst einen besonders aggressiven Reduktionspfad auf, ist dann aber für das letzte Drittel des Jahrhunderts etwas weniger ambitioniert und erlaubt auch gegen Ende des Jahrhunderts – zumindest im Durchschnitt der Modellgruppe – noch marginal positive Nettoemissionen. Damit ist diese zweite Modellgruppe nach heutigem Stand der Technik vermutlich für die Praxis ein wenig relevanter. Die gute Nachricht ist nun die, dass die über 200 Modelle im Durchschnitt einen Reduktionspfad aufzeigen, der ein klein wenig „einfacher“ zu erreichen ist als das, was bisher dem Stand der Wissenschaft entsprach.
Grund zur Entwarnung ist das nicht: Auch die jetzt geforderten Reduktionsschritte bei den Emissionen sind derart ambitioniert, dass sie nur äußert schwer zu erreichen sind. Zudem gehen die Modelle im Schnitt von einem abgeschwächten Bevölkerungswachstum aus; eine Annahme, die sich als zu optimistisch erweisen könnte. Außerdem steht hinter den Modellen die Vermutung, dass es nicht gelingt, bei Treibhausgasen wie Methan Netto-Null-Emissionen zu erreichen, was dazu führt, dass gerade beim CO2 die jährlichen Reduktionen besonders deutlich ausfallen müssen. Denn in der Berichterstattung wird oft außenvor gelassen, dass sich die jeweiligen Reduktionspfade auf alle Treibhausgase beziehen und nur aus Vereinfachungsgründen in sog. CO2-Äquivalenten ausgedrückt werden.
So nutzt CAP2 die neuen Reduktionspfade
Für CAP2 ergibt sich aus der Veröffentlichung der neuen Reduktionspfade die Möglichkeit und auch die Notwendigkeit, den eigenen Master-Reduktionspfad neu zu rechnen und entsprechend den neuen Erkenntnissen aus den zwischenzeitlich veröffentlichten Studien anzupassen. Dieser Master-Reduktionspfad wird benötigt, um festzustellen, inwieweit Unternehmen mit ihren eigenen CO2-Emissionen von einem Pfad abweichen, der mit dem 1,5-Grad-Ziel kompatibel wäre. Die Berechnung des CAP2-Masterpfades erfolgt dabei leicht vereinfacht dargestellt wie folgt: In die Schar der über 200 einzelnen Reduktionspfade wird mit Hilfe eines Optimizers eine Art nichtlineare Regressionsgerade gelegt, die den statistischen Eigenschaften aller Einzelpfade im Durchschnitt bestmöglich entspricht und gleichzeitig zu einem CO2-Restbudget führt, das wiederum dem Median aller IPCC-1,5-Grad-Pfade entspricht. Dieser Masterpfad weist zudem eine deutlich stetigere Entwicklung als die Einzelpfade auf und ist frei von den Sprungstellen einiger Einzelpfade, die im Verlauf zuweilen einen eher arbiträren Charakter aufweisen. Aus diesem Masterreduktionspfad lässt sich dann für jedes Jahr die prozentuale Reduktion an CO2-Emissionen ableiten, die auch wir von Unternehmen erwarten, um 1,5-Grad-kompatibel zu sein.
Differenzen zwischen firmenspezifischen Reduktionspfaden und dem Masterpfad lassen sich dabei auch konkret in CO2-Tonnen ausdrücken. Angenommen, eine Firma verantwortet im Jahr T0 1.000 Tonnen CO2-Emissionen, und der Masterreduktionspfad verlangt eine Reduktion des Emissionsmenge von 10% im Jahr T1 gegenüber T0, dann muss diese Firma ihre CO2-Emis-sionen in dem Zeitraum um 100 Tonnen reduzieren, um mit dem 1,5-Grad Klimaziel kompatibel zu sein.
CO2-Reduktion durch die Stilllegung von EUAs
Läge in diesem Beispiel die tatsächliche Reduktion der betroffenen Firma bei nur 50 Tonnen, ergäbe sich eine „Lücke“ von 50 Tonnen, um mit dem globalen Reduktionspfad kompatibel zu sein. Hier kommt CAP2 ins Spiel: Die Differenz wird dadurch „geschlossen“, dass die Reduktionsleistung von 50 Tonnen CO2 am Markt für europäische Emissionsrechte (EUAs) eingekauft wird. Es werden am Sekundärmarkt von einem EUA-Verkäufer Rechte für die Emission von 50 Tonnen CO2-Äquivalenten erworben und einer deutschen Klimastiftung zur ewigen Verwahrung zugestiftet. Dadurch werden die Rechte dem Markt für immer entzogen. Da die Rechte ansonsten zwingend zur Legitimation von Emissionen genutzt worden wären, ist die Reduktion von Emissionen die logisch zwingende Folge.