Hat das temporäre Halten von Europäischen Emissions-rechten einen Klimaeffekt?

Der EU-Emissionshandel: Eine kurze Einführung

In Europa dürfen etwa 11.000 Anlagen CO2 und andere Treibhausgase nur dann emittieren, wenn sie für jede Tonne ein Emissionsrecht besitzen. Diese EU-Emissionsrechte werden von der EU (bzw. einzelnen Staaten) emittiert und sind in ihrer Menge begrenzt. Jedes Jahr wird zudem die Menge der neu emittierten Emissionsrechte reduziert, so dass mit der Zeit nicht nur die Knappheit weiter ansteigt, sondern tatsächlich ein Reduktionspfad bei den CO2-Emissionen und anderen Treibhausgasen erreicht wird. Derzeit wird die Anzahl der neu emittierten EU-Emissionsrechte jährlich um 2,2% reduziert; in der Zukunft wird diese Kappung (man spricht hier von „cap and trade“) 4,2% betragen. Aktuell werden knapp 50% aller Emissionen Europas über diesen Emissionshandel gesteuert und reduziert. Ab etwa 2028 wird dieser Anteil signifikant erhöht werden, auch wenn noch nicht alle Details dazu bekannt sind. Aber auch schon jetzt ist der EU-Emissionshandel das zentrale klimapolitische Instrument der EU schlechthin. In den Sektoren, die dem Emissionshandel unterliegen, schreitet die Verringerung von Emissionen stetig voran. Dass die Klimaziele trotzdem nicht ganz erreicht werden, liegt nicht am grundlegenden Mechanismus des Emissionshandels, sondern am (leider noch) zu moderaten Reduktionspfad bei Neuemissionen von Emissionsrechten. Inzwischen ist der EU-Emissionshandel der wichtigste und am besten funktionierende Emissionshandel der Welt und steht Pate für den Aufbau eines Emissionshandels in anderen Ländern – selbst China hat sich inzwischen dazu entschieden, ein ähnliches System zu etablieren. Unter Volkswirten gilt der Emissionshandel als „Goldstandard“ in der Klimapolitik, da der Zielerreichungsgrad hoch und die volkswirtschaftlichen Kosten gering sind. Der Vorteil des Emissionshandels im Vergleich zu Förder- und Subventionsprogrammen sowie staatlichen Anreizen und Verboten liegt darin, dass der Emissionshandel vollkommen technologieoffen ist. Sein ökonomischer Charme besteht darin, dass hochgradig dezentral nach Verfahren mit möglichst geringen CO2-Vermeidungskosten gesucht wird.

 

Lassen sich mit dem Halten von Emissionsrechten Emissionen reduzieren?

Da jedes Unternehmen in fest definierten Industriebereichen (beispielsweise Energieerzeugung oder Luftfahrt) zwingend europäische Emissionsrechte (EUAs) benötigt, diese Rechte aber wiederum zahlenmäßig begrenzt und knapp sind, wird jedes verfügbare Recht mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit eines Tages zur Legitimation von Emissionen genutzt werden. Genau aus diesem Grund haben sie einen ökonomischen Wert, und genau deshalb ist ihr Wert in den letzten Jahren signifikant angestiegen. Die Knappheit von Emissionsrechten kann man nutzen, um Emissionen zu reduzieren, indem EU-Emissionsrechte dem Markt dauerhaft entzogen werden. Sie stehen damit nicht mehr zur Verfügung, um Emissionen zu legitimieren. Durch diese von CAP2 praktizierte Methode werden Emissionen rechtssicher reduziert. Aber gilt das auch für das explizit temporäre Halten von EU-Emissionsrechten? So ließe sich argumentieren, dass jedes (z.B. für den Zweck der Gewinnerzielung) gehaltene Emissionsrecht zumindest temporär nicht für die Legitimation von Emissionen zur Verfügung steht und damit zumindest im Moment des Haltens der EU-Emissionsrechte auch tatsächlich CO2-Emissionen reduziert werden. Vordergründig betrachtet ist diese Logik zwingend, hat aber einen gewaltigen Haken. Denn für das Klima ist es weitgehend unerheblich, ob Emissionen jetzt oder beim späteren Verkauf der EU-Emissionsrechte erst in fünf oder in zehn Jahren entstehen, zumal der Abbau von CO2 in der Atmosphäre hunderte von Jahren benötigt. Damit ist klar, dass ein nur temporäres Halten von Emissionsrechten keinen direkten Effekt auf das Klima haben kann.

 

Die Rolle der Marktstabilitätsreserve im EU-Emissionshandel

Auf den ersten Blick etwas anders sieht das Bild aus, wenn man den Mechanismus der Marktstabilitätsreserve (MSR) des EU-Emissionshandels in das Kalkül mit einbezieht. Die Marktstabilitätsreserve hat die Aufgabe, die Anzahl von „überschüssigen“ EUAs zu reduzieren, indem derzeit jährlich 24% der auf Vorrat oder zu Spekulationszwecken gehaltenen Emissionsrechte von der Anzahl der eigentlich zur Auktion anstehenden Emissionsrechte abgezogen wird. Vereinzelt wird argumentiert, dass für hundert Rechte, die vorrübergehend gehalten und nicht als Legitimation für Emissionen genutzt werden, 24 Rechte zusätzlich gelöscht werden. In dieser Logik hätte schon das temporäre Halten von EUAs einen gewissen Klimaeffekt.

Dies unterstellt allerdings, dass alle Rechte, die temporär gehalten werden, ansonsten noch in demselben Jahr für die Legitimation von Emissionen genutzt worden wären und nicht aus Vorratshaltung oder Spekulationsmasse stammen, bzw. von einem alternativen Käufer in diese überführt worden wären. Unterstellt werden muss also eine sofortige hundertprozentige Reduktion der tatsächlichen Emissionen durch den Kauf nicht benötigter Rechte am Sekundärmarkt – eine offen gestanden vollkommen absurde Annahme. Zudem degenerierte der gewünschte Effekt im Laufe der Jahre aufgrund mathematischer Feinheiten, so dass gewaltige Mengen an Rechten gekauft werden müssten, um im Kontext der MSR überhaupt einen Effekt erzielen zu können, der zudem quantitativ immer noch nicht genau bestimmbar wäre.

 

Fazit

Die Konsequenz aus den Überlegungen ist eindeutig: Mit einem temporären Halten von Emissionsrechten lässt sich kein oder allenfalls nur ein marginaler Klimaeffekt erzielen. Einzig zielführend ist ein auf Ewigkeit angelegtes Halten von Emissionsrechten. Dafür bedarf es eines durchdachten Settings, das genau diesen Zweck juristisch garantiert erfüllen kann. Die erhofften Effekte eines temporären Haltens von EUAs sind dagegen Augenwischerei.

 

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