Die Regierung sollte Emissionsrechte aufkaufen und stilllegen

Das Recht, CO2 zu emittieren, kann gehandelt werden. Das ist kein Skandal, der Emissionshandel ist vielmehr ein mächtiges Instrument, den Klimawandel zu bekämpfen, ohne dass dies auf Kosten der Gesellschaft geschieht. Der eigentliche Skandal ist, dass die Politik den Emissionshandel offenbar mehrheitlich nicht verstanden hat.

Erstens stellt der Europäische Emissionshandel sicher, dass stets nur im Umfang der ausgegebenen Rechte Emissionen in die Luft gelangen. Zweitens werden bei steigenden Preisen die Einsparungen immer von den Unternehmen erbracht, die es am günstigsten können: Wer eine Tonne CO2 oder äquivalente Abgase für weniger als 60 Euro vermeiden kann, die derzeit für ein Verschmutzungsrecht gezahlt werden müssen, vermeidet. Wer höhere Vermeidungskosten hat, muss anderen Emissionsrechte abkaufen. Dadurch wird gesamtgesellschaftlich kosteneffizienter Klimaschutz ermöglicht.

Täglich werden durch die Verschmutzer Rechte genutzt und damit gelöscht. Mehrfach in der Woche kommen neue Emissionsrechte der Mitgliedstaaten durch Versteigerung dazu. Die Einnahmen aus den Auktionen fließen in den jeweiligen Staatshaushalt. Die Anzahl der von den Mitgliedstaaten jährlich neu versteigerten Rechte nimmt jedes Jahr um 2,2 Prozent ab. Tatsächlich müsste die jährliche Reduktion wohl deutlich erhöht werden, um wirkungsvoller zur Begrenzung des Anstiegs der globalen Durchschnittstemperatur auf 1,5 Grad beitragen zu können. Zusätzlich werden seit 2019 über die Marktstabilitätsreserve jährlich viele hundert Millionen „überschüssige“ Rechte aus dem Markt genommen, um Fehler aus der Anfangszeit des Emissionszertifikatehandels zu korrigieren.

Letztlich wirkt das EEG wie eine Quersubventionierung der größten Klimasünder Europas.

Der Preis der Emissionsrechte bestimmt nur darüber, wer emittieren darf. Auf die Menge der Emissionen hat er keinen Einfluss. Diese hängt nur von der Menge der verfügbaren Emissionsrechte ab. Denkt man einen Schritt weiter, wird deutlich, dass die Diskussion darüber, wann welches Kohlekraftwerk abgeschaltet werden soll, am Ziel vorbeigeht: Entscheidend ist, dass die Anzahl der Emissionsrechte verringert wird. Dafür müsste die Regierung nur Rechte aufkaufen und stilllegen. Konzeptionell wäre eine Verringerung ihrer Auktionsmenge noch einfacher, aber womöglich europarechtlich problematischer.

Schadenersatzzahlungen an die Energieerzeuger für zwangsweise Stilllegungen fielen beim Aufkauf der Emissionsrechte nicht an. Wegen des steigenden Preises würde irgendein Verschmutzer in Europa bereit sein, Emissionen zu vermeiden, und zwar derjenige, für den die Vermeidung einer Tonne Abgase günstiger ist als der Kauf von Rechten. Verschmutzer, bei denen die Zahlungsbereitschaft der Kunden nicht groß genug ist, um für die gestiegenen Kosten ihrer Emissionen aufzukommen, müssten auf Gewinne verzichten oder den Betrieb einstellen. Beides wäre im gesamtgesellschaftlichen Interesse.

Obwohl das zumindest in den hier skizzierten Umrissen nicht schwer zu verstehen ist, ignorieren Bundesregierungen in unterschiedlicher Zusammensetzung seit mehr als zehn Jahren konsequent den selbst geschaffenen Ordnungsrahmen bei wesentlichen Gesetzesinitiativen zum Klimaschutz.

Durch die EEG-Umlage wurde mit mehr als 100 Milliarden Euro der Ausbau der erneuerbaren Energien gefördert. Auch wenn ihr Anteil am Strommix stark gestiegen ist, hat dies seit der Scharfstellung des Emissionsrechtehandels 2008 aber nicht mehr zu einer Verringerung der Emissionen in Europa geführt. Je mehr sauberen Strom die Haushalte erzeugen, desto weniger klimaschädlich produzierten Strom verkaufen die Energiekonzerne. Weil sie daher auch weniger Strom erzeugen müssen, benötigen sie weniger Emissionsrechte. Diese verschwinden dadurch aber nicht, sondern werden einfach von einem anderen gekauft, der mit ihnen dann mehr verschmutzen darf als zuvor.

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die Monopolkommission und das Ifo-Institut haben schon 2009 in verschiedenen Gutachten auf den fehlenden Beitrag des EEG zum Klimaschutz hingewiesen; geändert hat sich nichts. Tatsächlich haben wir durch die von Stromverbrauchern in Deutschland getragene EEG-Umlage paradoxerweise wegen der freiwerdenden Rechte nur den Preisanstieg der Emissionsberechtigungen in Europa verlangsamt und Emissionen in andere Sektoren oder Länder verschoben. Letztlich wirkt das EEG wie eine Quersubventionierung der größten Klimasünder Europas – möglicherweise hätte der eine oder andere Verschmutzer ohne das EEG seine Produktion wegen des höheren Preisanstiegs schon früher einstellen müssen.

Einiges deutet darauf hin, dass dieselben Fehler gerade wieder gemacht werden. Auch wenn Hauseigentümer künftig verpflichtet werden, ihre Dächer zur Installation von Fotovoltaikanlagen freizugeben, wird dies isoliert betrachtet wegen des EU-Emissionsrechtehandels keinerlei Auswirkungen auf die Emissionen in Europa haben. Die Emissionsberechtigungen werden einfach an anderer Stelle genutzt. Tatsächlich müsste die Bundesregierung in dem Umfang, in dem durch zusätzliche regenerative Energieträger Emissionen eingespart werden, Emissionsrechte aufkaufen und stilllegen, so dass sie von niemandem zur Legitimation von Emissionen genutzt werden können. Jede weitere Solarzelle trüge dann vollumfänglich zur Vermeidung von Emissionen bei und hätte keinerlei Auswirkungen mehr auf den Preis der Emissionsrechte.

Die Zeit drängt. Es ist höchste Zeit, dass die Politik mit den Bürgern an einem Strang zieht, sodass jeder Einzelne wirksam zum Klimaschutz beitragen kann. Was wir uns nicht länger leisten können, sind weitere gut gemeinte, aber wirkungslose Gesetzesinitiativen mit Wohlfühlcharakter.

Von Hanjo Allinger
Hanjo Allinger ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Technischen Hochschule Deggendorf.

Quelle: FAZ vom 02.11.2021, S. 17

 

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